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13.09.2018

Leichtathletik

WM-Gold für TSV-Leichtathlet und „eine sportlich saubere Revanche“

von Christian Töpfer

Gerhard Zorn berichtet von der Senioren-WM (mit Videos)

Bei der Senioren-Weltmeisterschaft vom 4. bis 16.9. im spanischen Malaga sind auch zwei Läufer vom TSV Vaterstetten für Deutschland am Start. Hier ein erster Bericht von Gerhard Zorn, der sich über Silber über 100 m und Gold über 200 m freuen durfte.

Siegerehrung: Der neue 200-m-Weltmeister der Altersklasse M60 Gerhard Zorn, eingerahmt von Zweitplatzierten Val Barnwell (USA) und Trevor Young (Australien).

Seit vielen Jahren reisen die TSV-Läufer  Guido Müller und Gerhard Zorn zu den Senioren-Welt- und -Europameisterschaften. In diesem Jahr war Malaga in Südspanien das Ziel. Nach den ersten Wettkampftagen hat Gerhard seine Eindrücke geschildert und erzählt, wie es ihm über 100 m und 200 m in der Altersklasse M60 ergangen ist.

„Mittlerweile ist hier schon einiges gelaufen. Über 100 m habe ich überraschend Silber gewonnen, über 200 m noch viel überraschender Gold. Insbesondere der Sieg gegen den US-Amerikaner Barnwell über 200 m hat mir viel Freude bereitet.

Dazu muss man diese Geschichte kennen: Im Jahr 2009 nahm ich in Lahti in Finnland an der Senioren-WM teil. Das war noch ziemlich am Anfang meiner Karriere. Über 100 m erreichte ich damals den 4. Platz, sah der Siegerehrung mit etwas Wehmut zu und hatte den Wunsch, auch einmal bei einer Einzeldisziplin auf dem Treppchen zu stehen. Drei Monate später wurde mein Wunsch zumindest virtuell Wirklichkeit, denn ich wurde vom DLV unterrichtet, dass ich nun Dritter sei. Der Erste, Val Barnwell aus den USA, hatte mit unerlaubten Mitteln nachgeholfen. Er war in Lahti positiv getestet worden und mit einer Dopingsperre belegt worden. Diese ist seit einigen Jahren ausgelaufen, Barnwell nimmt wieder an Wettkämpfen teil. Seit 2009 bin ich nicht mehr auf ihn getroffen, bis zu diesen Meisterschaften in Malaga.

Barnwell ist Spezialist für 100 m und 200 m. Niemand zweifelte daran, dass er diese beiden Disziplinen gewinnen würde. Über die 100 m kam es auch so. Schon im Vorlauf zeigte er mit 12,20 Sek., was er kann. Auch der Türke Gungor lag dort mit 12,31 Sek. weit vorne. Ich konnte meinen Vorlauf mit 13,11 Sek. locker zum Sieg laufen. Im darauffolgenden Semifinale habe ich mich mit 12,46 Sek. für das Finale qualifiziert – einer Zeit, die ich seit der WM in Perth vor zwei Jahren nicht mehr gelaufen bin (--> klick). Im Finale konnte ich dann am gleichen Abend mit 12,48 Sek. hinter dem unerreichbaren Barnwell (12,08 Sek.) überraschend den 2. Platz erreichen.

Über 200 m waren zehn vollbesetzte Läufe angesetzt, also ca. 80 Teilnehmer. Ich konnte meinen Vorlauf mit 26,17 Sek. und großem Abstand gewinnen. Barnwell schockte die Konkurrenz mit 25,31 Sek.. Das war ihm selbst vielleicht schon ein Stück zu schnell, denn im Semifinale zwei Tage später reichten ihm schon 25,85 Sek. zur Qualifikation für das Finale. Ich musste mich in meinem Semifinale eines weiteren US-Sprinters erwehren und legte mit 25,72 Sek. einen Zahn zu. Ich hatte damit die beste Zeit aller Teilnehmer im Semifinale erreicht.

Während der Aufwärmphase fürs Finale am gleichen Abend erfuhr ich von vielen Seiten viele Aufmunterungen. Die Doping-Historie von Barnwell ist den meisten Athleten bekannt. Das Rennen entwickelte sich dann so, wie es sich zuvor zig-mal in meinem Kopf abgespielt hatte. Barnwell war schnell weg, aber alle anderen Läufer lagen ausgangs der Kurve hinter mir. Ich blickte nach vorne und dachte: „So weit ist Barnwell ja gar nicht weg.“

Ich machte mich also auf die Jagd, im Vertrauen auf mein Stehvermögen und in der Hoffnung, dass Barnwell vielleicht schon zu viele Körner verbraucht hätte. Die Tribüne war ein Hexenkessel, denn mit jedem Schritt wurde der Vorsprung von Barnwell kleiner. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt, dass ich ihn einholen konnte, aber ob das vor der Ziellinie noch gelingen könnte, war nicht klar. Genau an dieser Stelle zeigt sich dann, ob man konsequent und diszipliniert trainiert hat, denn nur zu wollen, reicht nicht aus, der Körper muss es auch können.

Ich hatte das Glück, das bei mir alles passte, es war beinahe wie ausgemessen. Mit den letzten Schritten konnte ich Barnwell überholen, der mich wegen des Lärms nicht hatte kommen hören und regelrecht zusammenzuckte, als ich zwei bis drei Meter vor dem Ziel neben ihm auftauchte. Er war am Ende seiner Kräfte. Ich war zu diesem Zeitpunkt deutlich schneller als er, so dass er kurzfristig auch nicht mehr reagieren konnte und ich mit 25,49 Sek, und neun Hundertstel Vorsprung gewinnen konnte. Ich freute mich nicht nur über den WM-Titel, sondern fast noch mehr über eine sportlich saubere Revanche. Und man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Sportler mir zu diesem Sieg gratuliert haben.“

Die beiden Läufe sind auf YouTube zu sehen: Im 100-m-Lauf ist Gerhard auf Bahn 5, im 200-m-Lauf auf Bahn 4.

Den zweiten Bericht von Gerhard Zorn gibt es hier, der Bericht von Guido Müller ist hier zu lesen.

--> zu den kompletten Ergebnissen

Der zweite WM-Titel: Nach Gold über 400 m vor zwei Jahren in Perth ist Gerhard Zorn nun Weltmeister über 200 m geworden.